Geschenke sind Ausdruck von Reziprozität - ein Naturgesetz im Beziehungsaufbau

Ich sitze im Zug und schreibe diesen Blog. Ein Anruf gestern Abend auf meiner Fahrt zur letzten Sitzung des Tages hat mich dazu inspiriert: „Hier ist Radio Zürichsee. Wir suchen für unsere Abendshow einen Verkaufspsychologen für die Frage, warum wir zu Weihnachten mehr Geld als sonst ausgeben – auch für uns selbst. Sind Sie bereit, uns darüber ein Interview zu geben?“

Mir war sofort klar – da geht es um Reziprozität! Klar war ich dazu bereit.

Wofür geben wir an Weihnachten mehr Geld aus? Für Geschenke und für Genuss.

Für wen tun wir das? Für unsere Liebsten, für uns selbst und auch für Menschen, mit denen wir vielleicht in der Arbeitswelt verbunden sind oder durchaus auch für uns völlig unbekannte Menschen (z.B. Spenden).

Warum tun wir das? Es gibt intrinsische Beweggründe (Motive) und extrinsische Einflüsse (Umwelt), welche dieses Verhalten auslösen.

Schenken ist Ausdruck von Liebe und gleichzeitig der Wunsch nach Liebe. Und Liebe wird materiell entgolten. Gifts for Love? Klar! Auch die Katze bringt uns Mäuse, wenn sie uns für unsere Liebe danken will. Grosse Liebe – teure Geschenke. Oder was würde wohl meine Frau sagen, wenn statt der teuren Designer-Tasche ein durchaus praktischer Einkaufs-Trolley unter dem Weihnachtsbaum stehen würde… Das ist mit „Reziprozität“ gemeint.

Wir sind auf Reziprozität konditioniert

Wurden wir nicht schon als Kinder konditioniert, an Weihnachten Wunschzettel (und später schwülstige Dankesbriefe) zu schreiben und sehnsuchtsvoll auf die erlösende Bescherung zu warten? Die totale emotionale Inszenierung!

Apropos Inszenierung – der Rummel in den Kaufhäusern, an den Weihnachtsmärkten und in der Werbung zwingt uns ja mitzumachen. Wenn es alle anderen tun, ist es auch für mich gut. Hans-Georg Häusel und die limbische Instruktion „Balance“ lassen grüssen…

Ich erinnere mich, wie zehn Minuten später das Telefon klingelte und mich die Radiomoderatorin aus meinen Gedanken holte: „Hier ist Radio Zürichsee. Hier nun unsere Frage des Tages: Herr Ritschard– Sie sind Verkaufspsychologe. Warum geben wir zu Weihnachten mehr Geld aus als sonst?“

Meine Antwort:

„Ganz einfach, weil wir schon als Kinder auf Geschenke zu Weihnachten programmiert wurden, weil wir dem allgemeinen Kaufrausch wie eine Herde folgen und weil wir uns selbst und anderen Liebe schenken wollen. Verkäufer haben deswegen vor Weihnachten mit irrationalen und emotionalen Argumenten leichtes Spiel: „Wollen Sie sich und Ihrem Mann eine besondere Freude zu Weihnachten machen? Dann schenken Sie ihm diese (völlig unnütze und überteuerte) Hightech-Drohne. Stellen Sie sich seine vor Liebe glänzenden Augen vor, wenn er sie in den Händen halten wird.

„Und was kann man tun, wenn man sich das alles gar nicht leisten kann – ich bin Studentin und jobbe nur beim Radio…? fragt die Redaktorin. „Dann bleiben Sie an Weihnachten zuhause, lassen Sie ein Schaumbad einlaufen, Kerzen, ein Glas Wein – alleine oder zu zweit … und verwöhnen sich. Weihnachten ist das Fest der Liebe.“

Ich schreibe diesen Blog im Zug. Mir gegenüber sitzt eine ältere Frau mit einem griesgrämigen Gesichtsausdruck und strickt emsig. Ich schaue ihr zu und frage: „Was wird’s, wenn es fertig ist?“ „Eine Mütze für meinen Enkel“ antwortet sie und ihre Augen glänzen.